Institut
für
akustische
Expedition

About

Das Institut für akustische Expedition wurde 2021 gegründet. In regelmäßigen Abständen werden Reisen zu verschiedenen Orten der Stadt unternommen, um dabei Untersuchungen, von vermeintlich nicht musikalischen Gegenständen und Atmosphären, durchzuführen. Zur Ausstattung des Instituts gehört ein Fahrrad, welches mit technischen Geräten zur Erfassung von klanglichen Phänomenen ausgestattet ist. Diese werden im institutseigenen Labor aufgearbeitet, analysiert und beschriftet. Die Forschungsergebnisse sind stets manipuliert und werden, unter Hinzunahme synthetischer Klänge, zu eigenen Kompositionen arrangiert. Der Verwendung des Begriffs Komposition liegt dabei kein musikwissenschaftliches Verständnis zu Grunde. Der collagenhafte Verweis, der aus verschiedenen Versatzstücken entsteht wird somit zu einem persönlichen Abbild der Gegenwart.

Güterbahnring image

15/03/2021 | 51.354809, 12.439732 | Kontaktmikrofon & Stereomikrofone

Die Komposition ist eine Hommage an Pierre Schaeffers "Etude aux chemins de fer“. In den 50er Jahren verwendet Schaeffer alltägliche Geräusche für seine Kompositionen. Während Schaeffer und seine Mitstreiter:innen eigene Maschinen entwickelten, lässt sich ein Loop oder Delay heute mit wenigen Mausklicks in der digitalen Audio Software erzeugen. Im Vergleich wird der technische Fortschritt deutlich. Die emittierten Frequenzen von Zügen werden bei hohen Geschwindigkeiten nicht mehr als Rhytmus wahrgenommen, stattdessen verdichten sich die Transienten zu einem Rauschen.


Wackelturm image

17/05/2021 | 51.357049, 12.347194 | Richtmikrofon & Kontaktmikrofon

Der Wackelturm ist ein Ausflugsziel, das sich durch das Überwinden von Steigung auszeichnet. Er ist auf einem Hügel des Auwaldes gelegen und ragt über die Baumwipfel hinaus. Besonders zum Sonnenuntergang pilgern viele Leipziger:innen hier her. Einige hinterlassen zerbrochene Glasflaschen. Für die akustische Übersetzung der Scherben habe ich die Aufnahmen mit einem Granularsynthesizer wiedergegeben. Ein Verfahren bei dem der Sound in kleine Fragmente zerlegt wird.


Elsterwehr image

15/06/2021 | 12.349679, 51.334996 | Kontaktmikrofon, Richtmikrofon & Hydrophon

Bei der akustischen Erkundung des Elsternwehr begegnete ich einer Frau, die mir ein kurzes Interview gab. Sie erzählte mir von ihrer Verbindung zu dem Ort und dem Geschehen, welches uns umgab. In Anlehnung an Annea Lockwood habe ich Ausschnitte des Interviews zusammen mit dem Lachen umher rennender Kinder in die Komposition eingebettet. Die Wucht des herabstürzenden Wassers dominiert die Klanglandschaft am Wehr. Dennoch oder gerade deswegen wirken die Menschen, dort ausgelassen. Durch das Anbringen eines Kontaktmikrofons an einer Metallstrebe, welche innerhalb der seitlichen Wehranlage bis ins Wasser hineinragt, konnte ich einen gleichbleibenden Ton aufnehmen, den ich für meine Komposition in abgewandelter Form verwendet habe. Zum Schluss ist eine Unterwasser-Aufnahme zu hören, die ich hundert Meter nördlich des Wehres mit einem Hydrophon einfing. Im Vergleich zum breiten Frequenzspektrum des herabstürzenden Wassers wird die hohe Varianz der Klanglandschaft von Flüssen deutlich.


Östliche Rietzschke image

13/07/2021 | 51.331653, 12.453098 | Kontaktmikrofon, Hydrophon & Stereomikrofon

Als ich dem Verlauf der Östlichen Rietzschke flussaufwärts folgte und Geräusche mithilfe eines Unterwassermikrofons einfing fand ich eine schwarze Tür, die unterhalb eines kleinen Plateaus angebracht war. Sie führte zur Kanalisation. Darüber befand sich eine metallene Ballustrade, deren Resonanz ich mit dem Kontaktmikrofon einfing, als schlagartig Gewitterwolken aufzogen und der Regen niederprasselte. Da die Suche nach einem geeigneten Unterschlupf erfolglos blieb stemmte ich mit aller Kraft die Tür auf. Erst als der Regen sich verflüchtigte wagte ich mich aus dem Unterschlupf hinaus.


Alte Brauerei image

28/03/2021 | 51.384062, 12.282190 | Kontaktmikrofon, Richtmikrofon, Stereomikrofon

Die ehemalige Bierbrauerei liegt im nordwestlichen Stadtteil, Lützschena-Stahmeln. Das Gelände umfasst mehrere brachliegende Gebäude, die dem Verfall ausgesetzt sind. Sie werden von fotografierenden und malenden Menschen als Motiv und Leinwand benutzt. Das klangliche Herzstück sind die alten Silos, welche schätzungsweise zwanzig Kubikmeter Fassungsvermögen besitzen und über fünf Meter hoch sind. Die Nachhallzeit innerhalb der Silos beträgt viereinhalb Sekunden. Also ungefähr eine Sekunde länger als in den meisten Kirchen.


Umschlagbahnhofimage

15/06/2021 | 51.388172, 12.303441 | Kontaktmikrofon, Richtmikrofon, Stereomikrofon

Die Geräusche der aufnehmenden Person werden in Field Recording gerne vermieden. Die Suche nach geeigneten Klängen ist in der Regel eine nach außen gerichtete Tätigkeit. Auch wenn diese Annahme nicht so einfach auf das Konzept meiner Kompositionen zu übertragen ist, wollte ich durch das Einbinden eines persönlichen Telefonats der Tendenz einer einseitigen Observation entgegenwirken.
Gleich neben dem Umschlagbahnhof befinden sich die Ruinen des ehemaligen Bahnhofs Leipzig-Wahren. Dort erfasste ich perkussive Klänge, die sich im Hintergrund mit den Geräuschen der intakten Maschinen des Umschlagbahnhofs vermischen.


Lindenauer Hafen image

15/06/2021 | 51.335691, 12.297233 | Kontaktmikrofon, Richtmikrofon, Stereomikrofon

In den Aufnahmen in und um den Alten Speicher im Lindenauer Hafen paart sich Vogelgesang mit dem aus der Distanz hörbaren Rauschen des Wassers und der vorbeifahrenden Autos, ehe er beim Betreten des Gebäudes von der Raumakustik eines der alten Speicher verschluckt wird. Aus dem Aufprall von gefundenen Gegenständen auf metallenen Maschinen und Steinen die in den unterwasser stehenden Keller abrutschten, habe ich einzelne Klänge isoliert. Nach der Anwendung digitaler Audioeffekte habe ich mit Hilfe eines Drum Pads percussive Elemente hinzugefügt. Weder die Atmosphäre zum Zeitpunkt der Aufnahme noch die Aura der industriellen Vergangenheit können in der Komposition hörbar gemacht werden. Stattdessen entsteht eine Klangwelt, beeinflusst durch meine eigene Wahrnehmung des Raums und die davon beeinflusste Modifikation und Komposition der vorgefundenen Klänge. Hildegard Westerkamp verwendet den Begriff »aural imagination« um den Einfluss der eigenen Wahrnehmung auf die erstellte Komposition zu beschreiben.